Einleitung

Die nachfolgenden Zeilen stellen einen Auszug aus meinen Intentionen die Kampfkunst betreffend dar.
Sie sollten genau so lebendig und wandlungsfähig wie die Kampfkunst selbst behandelt werden.
Wie der Geist des Kung Fu selbst, soll die Möglichkeit bestehen, sich von Überholtem zu trennen, und Neues soll Platz finden.

Dinge sollen jedoch nicht als überholt und veraltet gelten, nur weil man sich nicht die Mühe gemacht hat sie zu erfahren.
Sich von einer Sache zu trennen soll den eigenen Überzeugungen zu Folge geschehen, und auch nur nachdem man alle Aspekte abgewogen hat.

Die wahre Kunst besteht darin, den Körper zu kennen und zu verstehen (Anatomie und Physiologie), dem Wissen um die Verbesserung seiner Resourcen (Trainingslehre) und in der Ökonomisierung und Steigerung der Effizienz seiner Aktionen (Technik)!
Ein Außer-Acht-Lassen auch nur eines dieser Punkte reduziert die Jahrtausende Alte Kunst des Kung Fu auf die ledigliche sportliche Ausführung einer oder mehrer Bewegung.

Kung Fu

Eine der möglichen Übersetzungen des Begriffes „Kung Fu“ wäre „besondere Fertigkeit“, und ist somit alleine korrekter Weise nicht aussagekräftig zu verwenden.
Von der Filmindustrie wurde jedoch eine bestimmte Art zu kämpfen mit dem alleinigen Prädikat „Kung Fu“ versehen. Für den nicht Versierten wird damit der Kampfstil des Bruce Lee, oder die Bewegungsmuster des Hong Kong Kinos der 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts verbunden.

Da sich die chinesischen Kampfkünste, alle zusammengefasst, unter dem Oberbegriff Kung Fu, in tausende, teilweise divergierende Stile unterteilen, ist eine genauere Bezeichnung erforderlich. Selbst die Aussage „Shaolin Kung Fu“ ist noch zu weit gesteckt, um den genauen Stil zu bezeichnen.
Auf Grund der immer kurzlebiger werdenden Zeit, der zunehmenden Technisierung und Globalisierung, die jede noch so unbedeutende Veränderung eines Stiles einer großen Anzahl von Begeisterten zugängig macht, wird es immer schwieriger die anfängliche „Reinheit“ und unveränderte Weitergabe eines Stiles zu gewährleisten.
Es ist auch fraglich, ob es überhaupt im Sinne des Begründers eines Stiles, des Interpreten einer bestimmten Art und Weise zu kämpfen, ist, neue Erkenntnisse betreffend Technik, Bewegung oder Lehre des menschlichen Körpers, nicht Rechnung zu tragen.
Somit ist es ohne weiteres möglich, dass zwei Interpreten ein und der selben Lehre, unterschiedliche Bewegungsmuster unter Verwendung des selben Namens in gutem Glauben unterrichten.

Die Bezeichnung „Chang Tung Sheng Kung Fu“, also „die besondere Fertigkeit des Shang Tung Sheng“ erscheint aus diesem Blickwinkel vielleicht nicht mehr zeitgemäß.

Der Name „Shuai Chiao“ erscheint mir als der Treffendste, nicht weil unsere Techniken unverändert die Jahrtausende überstanden haben, nicht weil jeder Schüler des Chang Tung Sheng weltweit die selben Bewegungsmuster vollführt, sondern weil das Gedankengut des Shuai Chiao unverändert das Selbe ist.
Die selben Motive, das gleiche Gedankengut ergibt, jedoch äußerlich der Zeit Rechnung tragend, im Inneren einen seit tausenden von jahren unverändert und somit unverkennbaren Stil, Shuai Chiao.

Shuai Chiao

Shuai Chiao ist eine der ältesten aufgezeichneten Kampfkünste, zurückverfolgbar bis 2.700 v. Chr.
Eine Unzahl von Jahren bevor ander Kung Fu Stile entstanden sind wurde Shuai Chiao bereits praktiziert und seine Bewegungen und Techniken verfeinert.
Die lange Geschichte des „Chinesischen Ringens“ und seine permanente Nutzung als Kriegskunst über viele Epochen der chinesischen Vergangenheit hinweg, hat seine Effizienz im Kampf bewiesen.
Das Wissen, das über Jahrhunderte erworben und verfeinert wurde, wurde in ununterbrochener reihenfolge bis zum heutigen Großmeister dieses Systemes, Chang Tung Sheng, weitergegeben.

Shuai Chiao ist heute die meistgenutzte Polizei- und Militärtrainingsmethode Chinas und Taiwans. Tatsächlich werden Shuai Chiao Kurse als Teil des Lehrplanes an vielen taiwanesischen Schulen angeboten.

Suai Chiao besteht charakteristischer Weise aus den fünf wesentlichen Elementen des Kampfes

– Angriffspunkte (Einwirken auf lebenswichtige Körperregionen)
– Boxen
– Treten
– Greifen
– Werfen.

Diese vereinheitlichte und ineinandergreifende Methode zu Kämpfen ist es, die Shuai Chiao so wirkungsvoll macht.

Der Vorteil beim Gebrauch von Shuai Chiao zur Selbstverteidigung liegt darin, dass es den Ausführenden mit zusammenhängenden Bewegungen und Techniken versieht, die auf jede Situation angewandt werden können, und dabei selbst große Unterschiede in Distanz oder Grösse ausgleichen.

Um die vielen Gründe zu verstehen, die Shuai Chiao so effektiv in der Selbstverteidigung machen, muss es mit der Theorie eines andern äußerst anspruchvollen chinesischen Systemes, dem Tai Chi Chuan, verglichen werden.
Laut eines Buches über die Grundlagen des Shuai Chiaos ist tai chi Chuan entwicklungsmäßig gesehen, sowohl physisch, als auch psychisch die Grundlage des Wu Shu (vereinheitlichte chinesische Nationalkampfkunst). Symbolisch ist es die Achse auf der sich das Rad Wu Shu dreht, während Shuai Chiao als die Radnabe angesehen werden kann, von der die vielen Speichen ausgehen, die die vielen verschiedenen Kung Fu Systeme darstellen.
Die Zusammenwirkung von Jing und Jang, den zwei Gegensätzen, die sich noch dazu ergänzen, liegt im Shuai Chiao die Idee zugrunde, die agressive (jang) Energie der angreifenden Kraft durch nachgeben (jing) zu übernehmen, potenzieren und dann gegen den Angreifer selbst zu richten.
Dies ist die gemeinsame Grundlage von Shuai Chiao und auch dem Tai Chi Chuan.
Wie das Tai Chi Chuan vertraut Shuai Chiao auf ein gut entwickeltes taktiles Vermögen, koordinierte Körperbewegungen und eine Vielzahl an strategischen Methoden mit dem Gegner in Berührung zu kommen.
Die Kontrollmethoden des Tai Chi Chuan sind andere als die des Chinesischen Ringens, obwohl beide Systeme auf einer Kontaknahme mit dem Gegner und dem anschließenden Brechen seines Gleichgewichtes, um ihn zu schlagen, beruhen.
Es sind die Ideen und Techniken des Shuai Chiaos, die den Intensionen des Tai Chi Chuans erst Feuer und Leben geben.

In einer Erklärung des Ursprunges von Shuai Chiao wird erzählt, dass der unsterbliche Chan San Feng einen Vogel beobachtete, der mit einer Schlange kämpfte.
Er bemerkte die konstanten und geradlinigen Angriffe des Vogels, sein Picken und Stossen mit dem Schnabel, sowie das fortgesetzte Angreifen mit seine Flügeln.
Die Schlange jedoch blieb ruhig und wachsam. Ihren Körper aufgerollt und den Kopf vom Boden erhoben. Sich windend, drehend und kreisförmig ihren Körper bewegend entgegnete sie jedem Angriff des Vogels bis dieser schließlich aufgab.

Ausweichen und entgegnen erfordert vom Shuai Chiao Stylisten das Wesen und den Mittelpunkt des Angriffes zu beurteilen, um dann zur Seite zu gleiten, so dass er sich selbst nicht länger in der Bahn der Waffe, der Hand oder des Fußes des Angreifers befindet.
Nachdem er sich, die Umgebung und den Angreifer im Griff hat, sollte er seine Alternativen abwägen: zum Beispiel kann er entkommen oder genügend Aufmerksamkeit erregen um Hilfe und Unterstützung zu bekommen. Hat er eine Waffe oder einen sonstigen Gegenstand der ihm bei seiner Verteidigung dienlich sein kann?
Wenn er es mit einem gewalttätigen Angreifer zu tun hat sollte er immer auf das Schlimmste gefasst sein.
Wenn er an einen Angreifer gerät, der ihn mit seinen Fäusten bedroht sollte er ein Messer erwarten, wird er mit einem Messer angegriffen sollte er mit einer Pistole rechnen. Sollte sich ihm der Angreifer von vorne nähern, sollte er auch mit einem Angriff von hinten rechnen.
Wenn er sein Gegenüber oder die Situation selbst falsch einschätzt könnte er verletzt oder gar getötet werden . Sieht er das volle Risiko im vorhinein erhöht er seine Chancen unverletzt und somit siegreich zu entkommen.

Nachdem er intelligente Beobachtungen basierend auf Wissen und Erfahrung gemacht hat, muss er die Zuversicht besitzen, dass er überleben und gewinnen wird.
Es gibt immer Risiken, die über den ursprünglichen Streit hinaus berücksichtigt und kalkuliert werden müssen. Ein Notwehrexzess kann ihn, zumindest vor dem Gesetz, ebenso zum Verlierer machen, wie eine spätere und dadurch besser geplante Vergeltungsmaßnahme durch den Angreifer.

Ein berühmter Shuai Chiao Stilist betonte einmal:

„Unwichtig wie groß dein Können ist, du musst an deinen Geist und dein Herz glauben, und du wirst jeden Gegner besiegen.“

„Wenn sich ein Shuai Chiao Mann nähert ist er wie eine Schlange, die ihre Beute umschlingt. Er hat jeden Teil des Körpers seines Gegners unter Kontrolle, um ihm keinen raum zum Zurückschlagen zu geben. Das ist Selbstverteidigung“

Chang Tung Sheng

Taktik aus „Sunzi“ – Die Kunst des Krieges

Die guten Kämpfer der Vergangenheit schlossen jede Möglichkeit einer Niederlage aus und warteten dann auf eine Gelegenheit, den Feind zu schlagen.
Es liegt in unserer Hand, uns vor einer Niederlage zu schützen, doch die Gelegenheit, den Feind zu schlagen, gibt uns der Feind selbst.
Deshalb der Spruch: Man kann wissen, wie man siegt, ohne fähig zu sein, es zu tun.

Schutz vor der Niederlage verlangt eine defensive Taktik; die Fähigkeit den Feind zu schlagen, bedeutet, die Offensive zu ergreifen. In der Defensive zu beharren verrät unzureichende Kräfte; anzugreifen einen Überfluss an Kraft.

Der General, der in der Verteidigung erfahren ist, versteckt sich in den tiefsten Höhlen der Erde; wer im Angriff geschickt ist, fährt aus den höchsten Höhen des Himmels nieder. So haben wir auf der einen Seite die Fähigkeit, uns zu schützen, und auf der anderen die Möglichkeit, einen vollständigen Sieg zu erringen.

Den Sieg nur zu sehen, wenn er auvh von allen anderen gesehen wird, ist kein Beweis von hervorragender Leistung.
Und es ist kein Beweis von hervorragender Leistung, wenn du kämpfst und siegst, und das ganze Königreich sagt: „Gut gemacht.“ Wahre Vortrefflichkeit ist es, insgeheim zu planen, sich heimlich zu bewegen, dem Feind einen Strich durch die Rechnung zu machen und seine Pläne zu vereiteln, sodass zumindest der Tag ohne einen Tropfen vergossenen Blutes gewonnen wird.

Eine Spinnwebe zu heben ist kein Beweis für große Kraft;
Sonne und Mond zu sehen, ist kein Beweis für ein scharfes Auge;
Den Lärm des Donners zu hören, ist kein Beweis für ein gutes Ohr.

Die alten Weisen nannten den einen guten Kämpfer, der nicht nur siegte, sondern der sich dadurch auszeichnete, dass er mit Leichtigkeit siegte. Seine Siege werden ihm aber weder den Ruf der Weisheit noch den des Mutes einbringen. Denn soweit sie durch Umstände errungen werden, die nicht ans Licht gekommen sind, wird die Allgemeinheit nichts von ihnen wissen, und deshalb wird man ihn nicht wegen seiner Weisheit loben; und wenn sich der feindliche Staat unterwirft, ehe ein Tropfen Blut geflossen ist, wird man ihn nicht für seine Mut rühmen.

Er gewinnt seine Schlachten, indem er keine Fehler macht. Keine Fehler zu machen ist die Grundlage für die Gewissheit des Sieges, denn es bedeutet, einen Feind zu besiegen, der bereits geschlagen ist.

So bringt sich der umsichtige Kämpfer in eine Position, die eine Niederlage unmöglicht macht, und er versäumt nicht den richtigen Augenblick, den Feind zu schlagen.
So sucht im Krieg der siegreiche Stratege nur dann den Kampf, wenn der Sieg bereits errungen ist, wogegen jener, der zum Untergang verurteilt ist, zuerst kämpft, und dann den Sieg sucht. Eine siegreiche Armee, die gegen eine geschlagene antritt, ist wie ein Pfund gegen ein einziges Korn in der Waagschale. Der Ansturm der siegreichen Streitkräfte ist wie ein Hereinbrechen aufgestauten Wassers in eine tausend Faden tiefe Schlucht.

Der vollendete Anführer hütet das Gesetz der Moral und achtet streng auf Methode und Disziplin; so liegt es in seiner Macht, den Erfolg zu bestimmen.

Soviel zur Taktik.

aus dem Buch:
„Die Kunst des Krieges“; Sunzi
ISBN: 3-426-19245-4

Trainings­lehre

Sinn der nachfolgenden Ausführungen soll es sein, ähnlich den Ausführungen die Anatomie betreffend, ein Grundwissen und somit eine erhöhte Sensibilität dem menschlichen Körper und seinen Funktionsweisen gegenüber zu schaffen.

Es handelt sich lediglich um eine Aufzeichnung aus den Grundzügen der modernen Trainigslehre. Sie sollen ein Denkanstoß zur Kräftigung des menschlichen Körpers, zur Optimierung seiner Leistung und Erweiterung seiner Resourcen sein.

Es befinden sich hier keine Anleitungen schneller Laufen, höher zu Kicken, härter zu Schlagen oder länger kämpfen zu können.

Es soll nur die Bereitschaft geweckt werden, auch diese Gebiete des Kung Fu zu erforschen, und sich das Wissen darüber zu eigen zu machen!

(Fortsetzung folgt)

Literaturempfehlungen:

WEINEK J. – „Optimales Training“, Perimed Fachbuchsverlagsges., Erlangen
ZINTL F. – „Ausdauertraining; Grundlagen, Methoden, Trainingssteuerung“, BLV-Verlag
HOTTENROTT K. – „Trainingssteuerung im Ausdauersport“, Ahrensburg
HARRE D. et al (Autorenkollektiv) – „Trainingslehre“, Berlin Ost 1982

Anatomie

Gemäß den alten Vorschriften, dass die Kampfkünstler zuerst lernen sollten zu heilen, und dann erst zu verletzen, empfiehlt es sich, sich mit den einfachsten Grundbegriffen der Anatomie und Physiologie vertraut zu machen; nicht zuletzt, da ein gediegenes Wissen über den menschlichen Körper auch die Trainingseffizienz steigert!

Auch wird man als Trainer und Meister immer wieder mit Belangen des menschlichen Körpers konfrontiert, zur Leistung von Erster Hilfe aufgefordert oder einfach nur um Erteilung von Ratschlägen zur Steigerung des Wohlbefindens gebeten – je größer Dein Wissen, desto größer der Respekt, den du dir verdienst!

Literaturempfehlungen:

WEINEK J. – „Sportanatomie“, Perimed Fachbuchsverlagsges., Erlangen
WEINEK J. – „Sportbiologie“, Perimed Fachbuchsverlagsges., Erlangen
DELAVIER F. – „Muskel Guide“, BLV Verlag
TITTEL K. – „Beschreibende und funktionelle Anatomie des Menschen“, Urban u. Fischer Verlag

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